Wie trauern wir als temporäre Gemeinschaft im Bühnenraum? Ausgehend von dieser Frage beschäftigt sich caner teker in der choreografischen Arbeit killjoy mit Trauerarbeit und ihren Ritualen.
„Die Verbindung von Arbeit und Trauer untersuche ich für killjoy anhand der Figur der „Moira”: Klageweiber, die als professionelle Trauernde den Schmerz der Hinterbliebenen ausdrücken und verkörpern. Dabei betrachte ich Bereiche der „service economy”, der emotionalen Arbeit, migrantischer Arbeit und performativer Arbeit, unter anderem mit autobiographischen Bezügen. Meine eigene Perspektive als deutsch-türkische Person und meine Erinnerungen an die rituelle Verabschiedung meiner Großmutter erweitern meine Forschung.“ – caner teker
Elemente solcher Trauerrituale, wie eine zeremonielle Waschung in einem Wasserbecken und die Verwendung von Gerüchen, die an die Einbalsamierung in den Trauerritualen der muslimischen Tradition erinnern, fließen in die Arbeit ein. Gemeinsam mit der Tänzerin Élie Autin verkörpert caner teker die Figur der „Moira” als professionelle Trauernde, die als Dienstleistung ritualisierte Totenklagen ausführen und den Angehörigen dabei zugleich Trost spenden und Unterhaltung bieten. Wie verhält sich diese Form von Arbeit zur Performance auf der Bühne und im Theater? Wie schaffen wir Räume für Trauer? Wer trauert um was? Dabei bewegen wir uns zwischen Trauer („grief”) als internalisiertem, privaten Zustand sowie Trauern und Trauerarbeit („mourning”) als Exteriorisierungsprozess, der in diesem Fall öffentlich wird. Den Bühnenraum teilt sich das Publikum mit den Performerinnen, die mit ihrer Präsenz eine somato-politische Verbindung zu den Zuschauenden suchen. Trauern ist hier verstanden als das Einverständnis, sich gemeinsam mit den Anwesenden als aktiven Zeug*innen einer Transformation zu unterziehen, deren Ausgang offen ist.
caner teker (Düsseldorf), geboren 1994 in Duisburg-Marxloh, ist Überlebende, Unterstützerin und Choreografin. caner teker absolvierte ein Meisterstudium an der Kunstakademie Düsseldorf und studierte an der SNDO – School for New Dance Development, Amsterdam. caner tekers Arbeit beschäftigt sich mit den Verflechtungen von Identität, Arbeit und Postmigration im Kontext ihrer persönlichen Erfahrung als Deutsch-Türk*in sowie den Geschichten ihrer eigenen Familie. Im Jahr 2020 erhielt caner teker den Förderpreis für Bildende Künste der Stadt Düsseldorf und war Guest Fellow am PACT Zollverein. caner teker zeigte Performances u. a. im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, Les Urbaines, Lausanne, Julia Stoschek Collection, Berlin und Atonal Berlin. Die Performance karadeniz wurde 2021 im tanzhaus nrw und im HAU-Hebbel am Ufer, Berlin uraufgeführt. 2022 war caner danceWEB Stipendiat*in und trat in der Neuen Nationalgalerie Berlin, am Haus der Kunst München und am Tanzquartier Wien auf. 2023/24 wurde caner teker der Ars Viva Preis verliehen, sowie der Ankaufspreis des Museums Ostwalls in Dortmund.
Dauer: 60 Min.