Amadoka
Szenische Lesung nach dem Roman-Epos von Sofia Andruchowytsch in der Übersetzung von Alexander Kratochvil und Maria Weissenböck

Romana, eine Archivarin aus Kyjiw, erkennt in einem namenlosen Soldaten, der schwer verletzt aus dem Krieg im Donbass zurückkehrt, ihren Ehemann. Mit allen Kräften versucht sie, ihm sein Gedächtnis wiederzugeben. Mittel zum Zweck sind vier alte, weit gereiste Koffer voller Fotos, Papiere, ein in Leder gebundenes Notizbuch und ein geheimnisvoller Löwenkopf aus Stein. All diese stummen Zeugen sollen Anlass liefern für Erinnerung. Sie führen in die 1930er-Jahre, in das galizische Städtchen Butschatsch mit seiner multiethnischen Bevölkerung. Hier zeigt der halbwüchsige Pinkas, Sohn des Schochet, dem ukrainischen Mädchen Uljana den Ort des legendären, verschwundenen Sees Amadoka, der sich einstmals in stolzer Größe über die Karten Europas erstreckte.

Uljanas Vater, der zwischen den Kriegen ukrainische Nationalisten und Unabhängigkeitskämpfer versteckt hatte, versucht während der nationalsozialistischen Besatzung unter Lebensgefahr seinen jüdischen Nachbarn zu helfen. Im Zeitalter der Vernichtung und Todesangst werden aus Priestern Partisanen, aus Nachbarn Spitzel, aus ukrainischen Kindern Mörder, aus Juden Hilfspolizisten, aus Opfern Täter. Oder umgekehrt. Ob Hilfe und Rettung von den anrückenden Sowjets zu erwarten ist, wird je nach Standpunkt und Erfahrung unterschiedlich bewertet.
Zu Romanas Erstaunen ist es nicht der Löwenkopf der Statue des heiligen Onufrij, der die Erinnerungen des kranken Mannes weckt. Es sind die Briefe eines Dichters und Wissenschaftlers, der während der stalinistischen Säuberungsaktionen unter der Intelligenzija in der Sowjetukraine eine zweifelhafte Rolle spielte.

Sofia Andruchowytschs hochkomplexes, ein ganzes Jahrhundert umspannendes Panorama zeigt eindrucksvoll, dass die Gegenwart der Ukraine nur aus ihrer Geschichte heraus zu verstehen ist. Zugleich steht das große und großartige Werk auch als Parabel für die Unzuverlässigkeit von Erinnerung und für die Manipulierbarkeit von Identität.

»Wenn je ein Roman eine Form und einen Ton gefunden hat für die Geschichte der Ukraine in alle ihrem Leid und all ihren Abgründen, dann ist es dieses schwindelerregende Epos«, schrieb Sonja Zekri in ihrer Rezension in der »Süddeutschen Zeitung«.



18:00 bis 20:00 Uhr Lesung – anschließend Podiumsgespräch mit der Autorin bis ca. 21:30 Uhr



Mitwirkende:

Künstlerische Leitung und Textfassung: Heike Merten-Hommel

Podiumsgespräch mit der Autorin Sofia Andruchowytsch,

Moderation: Sonja Zekri

Eventdaten bereitgestellt von: Reservix

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