"Die negativen Emotionen, die wir in Bezug auf die Kunst anderer Menschen entwickeln können, sind ein wichtiger Motor der Kultur. Ärger über grässliche Musik, Ekel vor kitschigen Bildern, Enttäuschung über schlechte Romane – all das sind Gefühle, die genauso produktiv sein können wie Begeisterung."

Warum wird eigentlich so erbittert über Winnetou gestritten? Wieso kommt es bei Theaterpremieren zu Tumulten? Und weshalb macht gerade die Lektüre von Gedichten einige Leute so aggressiv? Diesen und ähnlichen Fragen geht der Literaturwissenschaftler Johannes Franzen in seinem Buch "Wut und Wertung. Warum wir über Geschmack streiten" nach – und was dabei zutage tritt, ist weit mehr als ein Sammelsurium von Feuilleton-Skandalen: Von Kapitel zu Kapitel seziert Franzen die Kulturtechnik des Streitens über Kunst und die verschiedenen Emotionen, die dabei freigesetzt werden. Dabei wird nicht zuletzt auch deutlich, dass etwas, das so starke Gefühle wie Liebe, Hass und Scham freisetzt, so unwichtig für eine Gesellschaft nicht sein kann.
Gemeinsam mit dem Autor und der Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin Anna Yeliz Schentke, die Konflikte über Kunst aus verschiedenen Perspektiven kennt, sprechen wir an diesem Abend über Kanondruck und Zwangslektüren, über ästhetische Verlustängste und Hatewatching – und darüber, weshalb sich über Geschmack dann eben doch so herrlich streiten lässt.

Moderation: Christian Dinger

Johannes Franzen, geboren 1984, ist Literaturwissenschaftler und Mitarbeiter am Germanistischen Institut der Universität Siegen. Er spricht und publiziert regelmäßig zu kulturellen Themen und Kontroversen u. a. im Deutschlandfunk Kultur sowie in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der taz und auf ZEIT Online. Er ist Mitbegründer und -herausgeber des Online-Feuilletons 54books und schreibt den Newsletter "Kultur und Kontroverse".

Anna Yeliz Schentke ist 1990 in Frankfurt geboren, aufgewachsen und lebt auch heute dort. Im Frühjahr 2020 nahm sie an der Schreibwerkstatt der Jürgen Ponto-Stiftung teil und stand im Herbst 2020 auf der Shortlist des Wortmeldungen-Förderpreises. Ihr Debütroman "Kangal" (2022) stand auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2022 und wurde mit dem Förderpreis des Friedrich-Hölderlin-Preises der Stadt Bad Homburg 2023 ausgezeichnet.

Fotos (c) Marion Koell & Robert Schittko

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